Gerechtigkeit: von Nürnberg nach den Haag: die Verurteilung Krimineller

Internationale Strafgerichtsbarkeit

 « Le caractère transnational des crimes contre l’humanité au cours de la Seconde Guerre mondiale a eu pour conséquence, à l’issue des conflits, la mise en place de juridictions internationales à Nuremberg (accord du 8 août 1945) puis à Tokyo (proclamation du 19 janvier 1946) chargées d’appliquer un principe fondamental, jamais démenti depuis : la responsabilité personnelle des chefs d’États, des membres du gouvernement, des parlementaires, des chefs militaires est recherchée. La fin de la guerre froide a vu repartir un tel processus, avec notamment des juridictions internationales pour l’ex-Yougoslavie et le Rwanda puis avec la création de la Cour pénale internationale, mais avec combien d’hésitations, de réticences, voire d’hostilité, sans oublier les difficultés matérielles. »

 „Der transnationale Charakter von Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Zweiten Weltkriegs führte am Ende der Konflikte zur Einrichtung internationaler Gerichte in Nürnberg (Abkommen vom 8. August 1945) und Tokio (Proklamation vom 19. Januar 1946), um ein Grundprinzip anzuwenden, das seitdem nie geleugnet wurde: Die persönliche Verantwortung von Staatschefs, Regierungsmitgliedern, Parlamentariern und Militärführern wird angestrebt. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde ein solcher Prozess wieder aufgenommen, insbesondere über die internationalen Gerichte für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda und die Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs, jedoch geprägt durch Zögern, Widerwillen und sogar Feindseligkeit, ganz zu schweigen von materiellen Schwierigkeiten.

Pierre Truche
Juger les crimes contre l’humanité. 20 ans après le procès Barbie, Lyon, ENS Éditions, 2009

 

Während die Definition von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Verurteilung Krimineller oberflächlich betrachtet Rechtsfragen sind, verdeutlicht das Schaffen von Gerechtigkeit zur Wiederherstellung des Friedens (sowie zur Vermittlung der Geschichte) die Spannungen zwischen Recht und Politik, da die Suche nach der Wahrheit eine notwendige Voraussetzung für ein faires Verfahren und gleichzeitig eine gefährliche Aufgabe darstellt.

 

Die „Ad-hoc“-Gerichtsbarkeit

Anfang der 90er Jahre wurden neue Gerichte geschaffen, deren Zuständigkeit auf einen bestimmten Konflikt beschränkt war. Wir sprechen von „Ad-hoc“-Gerichten, die nach Abschluss der Prozesse wieder verschwinden.

 

Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY)

1991 sorgte der Zusammenbruch der jugoslawischen Föderation erneut für Krieg im Herzen Europas. Serbien verfolgt in Bosnien und Kroatien eine Politik der „ethnischen Säuberung“. Es kommt zu Verbrechen. Mit der Resolution 827 vom 25. Mai 1993 richtet der UN-Sicherheitsrat noch vor Beendigung des Konflikts einen Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien ein.

Dieses Tribunal mit Sitz im niederländischen Den Haag stellte Personen wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vor Gericht, die im ehemaligen Jugoslawien seit 1. Januar 1991 begangen wurden. Es bestand aus Richtern, die von der UN-Generalversammlung gewählt wurden.

Slobodan Miloševic war das erste amtierende Staatsoberhaupt, das vor einem internationalen Gericht angeklagt wurde (24. Mai 1999); er war Präsident der Republik Serbien. Er wurde am 1. April 2001 verhaftet und verstarb am 11. März 2006 noch während des Prozesses.

 

Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR)

Anfang April 1994 wurden in Ruanda während eines rund hunderttägigen Zeitraums fast eine Million Menschen massakriert, 90% davon Tutsis. Am 8. November 1994 wurde nach dem Vorbild des ICTY mit der Resolution 955 des Sicherheitsrates der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) eingerichtet. Dieses Tribunal mit Sitz in Arusha, Tansania, stellte Personen aufgrund von Völkermord und anderen schwerwiegenden Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht vor Gericht, die 1994 in Ruanda oder auf dem Gebiet der Nachbarstaaten begangen wurden. Er bestand aus Richtern, die von der UN-Generalversammlung gewählt wurden.

Bei Schließung des Gerichts wurde noch immer nach 8 Personen gefahndet. Ihre Fälle wurden an ruandische Gerichte oder an eine neue UN-Agentur, den „Residualmechanismus“, übertragen.

Zum Zeitpunkt der Schließung der internationalen Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda war eine Reihe von Fällen noch nicht abgeschlossen (einschließlich Mladic und Karadžic), oder es wurde noch nach Personen gefahndet (8 Personen für Ruanda), die in die nationale Zuständigkeit überführt oder einer neuen UN-Agentur zugewiesen wurden: dem „Residualmechanismus“. Diese Institution setzt sich aus Richtern zusammen und hat die Aufgabe, die laufenden Verfahren abzuschließen, die Vollstreckung der verhängten Strafen zu überwachen, den Schutz der Opfer zu gewährleisten und die Archive zu erhalten.

 

Internationalisierte Gerichte und Wahrheits- und Versöhnungskommissionen

Ende des 20. Jahrhunderts wurden weitere „Ad-hoc“-Gerichte geschaffen, um die Täter von Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Sierra Leone (Sondergerichtshof für Sierra Leone), Kambodscha (Außerordentliche Kammern für Kambodscha), Osttimor (Sondergruppen für Osttimor) und Kosovo (Sonderkammern 64) zu verfolgen.

Einige Länder haben Wahrheits- und Versöhnungskommissionen eingerichtet (Südafrika, Peru,….)

 

Der Internationale Strafgerichtshof

Nach mehrjährigen Verhandlungen unter dem Druck nichtstaatlicher Menschenrechtsorganisationen wurde der Gerichtshof durch ein am 17. Juli 1998 in Rom unterzeichnetes internationales Übereinkommen geschaffen. Er nahm seine Arbeit am 1. Juli 2002 auf. Es bildet den ersten ständigen internationalen Strafgerichtshof.
Im Jahr 2018 verabschiedeten 123 der 193 UN-Mitgliedstaaten das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs.

Im Gegensatz zu den „Ad-hoc“-Strafgerichten mit ihrem begrenzten Mandat ist der IStGH universell und zeitlich unbegrenzt (für Handlungen ab 2002) zuständig. Sein Zweck ist es, die Täter von Völkermorden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu verurteilen. Es wird auch erwartet, dass das Gericht über Verbrechen der Aggression entscheidet.

Die traditionelle Staatsraison und der Wunsch, im Namen der universellen Werte der Menschheit moralische Werte im öffentlichen Leben durchzusetzen, stehen sich offen gegenüber und nur unter dem ständigen Druck der Zivilgesellschaft kann internationale Gerechtigkeit wirklich zustande kommen.

Wer ist befugt, die Täter von Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuklagen?

Der Internationale Strafgerichtshof agiert nach dem Grundsatz der Komplementarität: Er befasst sich mit Fällen, in denen die zuständigen Staaten nicht den politischen Willen haben oder nicht in der Lage sind (ruinierte Länder, administrative Zerrüttung, usw.), Straftäter selbst zu verfolgen.

Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs:

  • wenn Verbrechen innerhalb ihres Hoheitsgebiets begangen werden
  • wenn Verbrechen von einem ihrer Staatsangehörigen begangen werden.

Staaten, die diese Straftaten in ihr nationales Recht übernommen haben.
Dann sind sie zuständig für:

  • in ihrem Hoheitsgebiet begangene Straftaten (territoriale Zuständigkeit)
  • Straftaten, die von ihren Staatsangehörigen oder gegen diese begangen wurden (aktive oder passive persönliche Gerichtsbarkeit).

Die Entwicklung einer weiteren Kompetenz lässt sich beobachten, die der universellen Kompetenz. Sie erlaubt es einem Staat, jeden Täter von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, der in seinem Hoheitsgebiet verhaftet wurde, vor Gericht zu stellen. Ein belgisches Gesetz von 1993, das 1999 geändert und seitdem aufgehoben wurde, war noch viel mutiger, gab es den belgischen Richtern doch die Befugnis, jeden Straftäter gegen die Menschlichkeit anzuklagen, sobald gegen ihn in Belgien Anzeige erstatte wurde, selbst wenn sich die betreffende Person nicht innerhalb des Landes aufhielt.

In Anwendung dieser verschiedenen Möglichkeiten ist es durchaus üblich, dass Folterer in einem Land verhaftet werden, in dem sie niemals Verbrechen begangen haben. In einigen Fällen wurden Staats- und Regierungschefs sogar vor einem ausländischen Gericht angeklagt:

  • Augusto Pinochet wurde 1998 auf Antrag der spanischen Justiz in London verhaftet.
  • Hissène Habré, der im Februar 2000 im Senegal gesucht wurde wegen Verbrechen im Tschad unter seiner Präsidentschaft (laufendes Verfahren).

Nach derzeitigem Stand des Völkerrechts wird die diplomatische Immunität von Staats- und Regierungschefs während der Amtszeit lediglich vor internationalen Strafgerichten aufgehoben.

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