DAS HAUS: DER ZUFLUCHTSORT IN DEN JAHREN 1943-44

Porträts der Erwachsenen

Kinderheim von Izieu, Sommer 1943. Von links nach rechts. Im Hintergrund: Marcelle Ajzenberg, Sarah Suzanne Levan-Reifman; im Vordergrund: Berthe Mehring, Miron Zlatin. (© Maison d’Izieu / Coll. Juliette Collomb)

Miron Zlatin organisiert und verwaltet den Alltag im Kinderheim. Sabine Zlatin ist verantwortlich für den Kontakt mit der Außenwelt. Sie reist zwischen Izieu und Montpellier hin und her, wo sie immer noch als Sozialarbeiterin tätig ist und mehrere Familien unterstützt.

Bei der Beaufsichtigung der Kinder werden sie von einer Gruppe von jüdischen und nichtjüdischen Erwachsenen unterstützt.

Léa Feldblum, Lucie Feiger, Mina Friedler mit Lucienne, ihrer fünfjährigen Tochter; Dr. Suzanne Reifman, in Begleitung ihres Sohnes Claude und ihrer Eltern Eva und Moïse, ersetzt ab September 1943 ihren Bruder Léon Reifman, einen Medizinstudenten und ehemaligen Ausbilder in Palavas-les-Flots. Nachdem er die Gründung des Kinderheims unterstützt hatte, verließ er Izieu, weil der Pflichtarbeitsdienst des Service du travail obligatoire (STO) nach ihm fahndet. Am 6. April 1944, dem Tag der Massenverhaftung, kommt er für die Osterferien zurück.

Lehrer oder Mitglieder des OSE halfen und arbeiteten mehrere Monate lang im Kinderheim: der Koch Philippe Dehan und seine Mutter, Marcelle Ajzenberg und das Paar Rachel und Serge Pludermacher.

Auch Freunde Sabine Zlatins helfen mit: Berthe Mehring, Emma Blanc und im Sommer 1943 Paulette und Renée Pallarés, zwei 17 und 19 Jahre junge Nachbarinnen Sabine Zlatins aus Montpellier.

 

Unter den Erwachsenen des Kinderheims:

Porträt von Sabine Zlatin als Krankenschwester des Roten Kreuzes, © Maison d’Izieu / Coll. Succession Sabine Zlatin

Sabine Zlatin

Sabine Zlatin ist am Tag der Razzia nicht anwesend.

Sobald sie von der Razzia erfährt, versucht sie, die Kinder zu retten. Sie geht nach Vichy und dann nach Paris, wo sie sich an das Rote Kreuz wendet. Vergeblich.

Im Anschluss daran schließt sie sich dem Widerstand in Paris an. Sie nennt sich Jeanne Verdavoire und arbeitet mit dem Sozialdienst der nationalen Befreiungsbewegung „Mouvement de libération nationale“ zusammen.

Nach der Befreiung wird ihr die Leitung des Hotelservices des Centre Lutétia anvertraut, das den Empfang Deportierter organisiert.

Ab 1945 hielt sie das Gedenken an die Razzia von Izieu am Leben. Sie sagt 1987 im Prozess gegen Klaus Barbie aus. Zusammen mit anderen, die mit der Geschichte des Kinderheims von Izieu zu tun hatten, gründet sie im Anschluss an diesen Prozess den Verein „Musée-Mémorial d’Izieu“ (Gedenkstätten von Izieu), der maßgeblich an der Errichtung der Gedenkstätte im Jahr 1994 beteiligt ist. Sie stirbt 1996 in Paris.

 

 

Porträt von Léa Feldblum, © Maison d’Izieu

Léa Feldblum

Lea Feldblum ist die einzige Überlebende unter den Deportierten.

Als das Lager Auschwitz befreit wurde, gelangte sie über verschlungene Pfade über Odessa nach Montpellier. Sie besteigt in Sète die Exodus. Nach einer schwierigen Reise erreicht sie schließlich Palästina. 1987 kehrt sie nach Frankreich zurück, um im Prozess gegen Klaus Barbie auszusagen. Zwei Jahre später stirbt sie in Tel Aviv.

 

Colonie d’Izieu, été 1943. Léon Reifman. © Coll. Philippe Dehan

Léon Reifman

Léon Reifman entkam als Einziger der Razzia vom 6. April 1944.

Nachdem er erst an diesem Morgen im Kinderheim ankam, gelingt es ihm, aus einem Fenster zu springen und sich in einem Busch zu verstecken. Am Abend kann er dank der Mithilfe der Familie Perticoz, die unmittelbar neben dem Kinderheim wohnt, aus Izieu fliehen und sich bei einer Familie aus Belley verstecken. Er sagt im Klaus-Barbie-Prozess aus. Er stirbt 1994 in Périgueux (in der Nähe von Bordeaux).

 

Das Schicksal von Sabine und Miron Zlatin

Sabine Zlatin wird am 13. Januar 1907 im polnischen Warschau als Sabine Chwatz, als jüngstes von zwölf Kindern geboren. Ihr Vater ist Architekt. Da sie weder das einengende familiäre Umfeld noch den herrschenden Antisemitismus länger erträgt, beschließt sie Mitte der 1920er Jahre, ihr Heimatland zu verlassen. Sie geht nacheinander nach Danzig, Königsberg, Berlin, Brüssel und kommt schließlich gegen 1925 ins französische Nancy. Dort beginnt sie ein Studium der Kunstgeschichte und lernt einen jungen jüdischen Studenten aus Russland kennen, Miron Zlatin. Der 1904 in Orscha geborene Spross einer wohlhabenden Familie studiert Agrarwissenschaften an der Universität Nancy. Am 8. Oktober 1928 heiraten sie in Warschau.

1929 erwerben Miron und Sabine Zlatin eine Geflügelfarm im nordfranzösischen Landas. Nach einigen Schwierigkeiten erwies sich das Vorhaben als Erfolg. Am 26. Juli 1939 erhalten sie die französische Staatsbürgerschaft.

Im September 1939 bricht der Krieg aus. Sabine Zlatin entscheidet sich für eine Ausbildung zur Militärkrankenschwester beim Roten Kreuz in Lille. Im Mai 1940 flüchtet das Paar vor dem Vormarsch der deutschen Truppen nach Montpellier. Sabine Zlatin arbeitet als Rotkreuzschwester am Militärkrankenhaus von Lauwe. Nach ihrer Entlassung aufgrund antisemitischer Gesetze, engagiert sie sich beim Kinderhilfswerk Œuvre de Secours aux Enfants (OSE). Schließlich gelangen sie nach Izieu im Departement Ain.

Nach der Razzia im Kinderheim von Izieu am 6. April 1944 begibt sich Sabine Zlatin nach Paris, wo sie sich dem Widerstand anschließt.

Nach der Befreiung wird sie zur leitenden Hotelierin des Centre Lutétia ernannt, von wo aus die Rückkehr und Aufnahme Deportierter organisiert wird. Im Juli 1945 erfährt Sabine Zlatin, dass ihr Mann und die Heimkinder von Izieu nicht aus der Deportation zurückkehren würden.

Nach der Schließung des Centre Lutétia im September 1945 lässt sie sich dauerhaft in Paris nieder. Sie nimmt ihre Tätigkeit als Malerin wieder auf, wobei sie ihre Gemälde mit Yanka signierte, und arbeitet gleichzeitig als Buchhändlerin mit Schwerpunkt darstellende Kunst.

Beginnend mit 1945 hat Sabine Zlatin nie aufgehört, das Andenken an die Razzia von Izieu vor dem Vergessen zu bewahren. Als Zeugin im Prozess gegen Klaus Barbie war sie eine Schlüsselfigur bei der Errichtung der im April 1994 in Izieu eingeweihten Gedenkstätte.

 

Die Namen der am 6. April 1944 deportierten 44 Kinder und 7 Erzieher:

  • Sami Adelsheimer, 5 Jahre alt, geboren in Deutschland, deportiert mit dem Transport 71
  • Hans Ament, 10 Jahre alt, geboren in Österreich, deportiert mit dem  Transport 75
  • Nina Aronowicz, 11 Jahre alt, geboren in Belgien, deportiert mit dem  Transport 71
  • Max-Marcel Balsam, 12 Jahre alt, geboren in Frankreich, deportiert mit dem Transport 71
  • Jean-Paul Balsam, 10 Jahre alt, geboren in Frankreich, deportiert mit dem  Transport 71
  • Esther Benassayag, 12 Jahre alt, geboren in Algerien, deportiert mit dem Transport 71
  • Elie Benassayag, 10 Jahre alt, geboren in Algerien, deportiert mit dem Transport 71
  • Jacob Benassayag, 8 Jahre alt, geboren in Algerien, deportiert mit dem  Transport 71
  • Jacques Benguigui, 12 Jahre alt, geboren in Algerien, deportiert mit dem Transport 71
  • Jean-Claude Benguigui, 5 Jahre alt, geboren in Algerien, deportiert mit dem Transport 71
  • Richard Benguigui, 7 Jahre alt, geboren in Algerien, deportiert mit dem Transport 71
  • Barouk-Raoul Bentitou, 12 Jahre alt, geboren in Algerien, deportiert mit dem Transport 71
  • Majer Bulka, 13 Jahre alt, geboren in Polen, deportiert mit dem Transport 71
  • Albert Bulka, 4 Jahre alt, geboren in Belgien, deportiert mit dem Transport 71
  • Lucienne Friedler, 5 Jahre alt, geboren in Belgien, deportiert mit dem Transport 76
  • Egon Gamiel, 9 Jahre alt, geboren in Deutschland, deportiert mit dem Transport 71
  • Liliane Gerenstein, 11 Jahre alt, geboren in Frankreich, deportiert mit dem Transport 71
  • Maurice Gerenstein, 13 Jahre alt, geboren in Frankreich, deportiert mit dem Transport 71
  • Henri-Chaïm Goldberg, 13 Jahre alt, geboren in Frankreich, deportiert mit dem Transport 71
  • Joseph Goldberg, 12 Jahre alt, geboren in Frankreich, deportiert mit dem Transport 71
  • Claudine Halaunbrenner, 5 Jahre alt, geboren in Frankreich, deportiert mit dem Transport 76
  • Mina Halaunbrenner, 8 Jahre alt, geboren in Frankreich, deportiert mit dem Transport 76
  • Georgy Halpern, 8 Jahre alt, geboren in Österreich, deportiert mit dem Transport 71
  • Arnold Hirsch, 17 Jahre alt, geboren in Deutschland, deportiert mit dem Transport 73
  • Isidore Kargeman, 10 Jahre alt, geboren in Frankreich, deportiert mit dem Transport 71
  • Liane Krochmal, 6 Jahre alt, geboren in Österreich, deportiert mit dem Transport 71
  • Renate Krochmal, 8 Jahre alt, geboren in Österreich, deportiert mit dem Transport 71
  • Max Leiner, 8 Jahre alt, geboren in Deutschland, deportiert mit dem Transport 71
  • Claude Levan-Reifman, 10 Jahre alt, geboren in Frankreich, deportiert mit dem Transport 71
  • Fritz Loebmann, 15 Jahre alt, geboren in Deutschland, deportiert mit dem Transport 71
  • Alice-Jacqueline Luzgart, 10 Jahre alt, geboren in Frankreich, deportiert mit dem Transport 75
  • Marcel Mermelstein, 7 Jahre alt, geboren in Belgien, deportiert mit dem Transport 74
  • Paula Mermelstein, 10 Jahre alt, geboren in Belgien, deportiert mit dem Transport 74
  • Theodor Reis, 16 Jahre alt, geboren in Deutschland, deportiert mit dem Transport 73
  • Gilles Sadowski, 8 Jahre alt, geboren in Frankreich, deportiert mit dem Transport 71
  • Martha Spiegel, 10 Jahre alt, geboren in Österreich, deportiert mit dem Transport 71
  • Senta Spiegel, 9 Jahre alt, geboren in Österreich, deportiert mit dem Transport 71
  • Sigmund Springer, 8 Jahre alt, geboren in Österreich, deportiert mit dem Transport 71
  • Sarah Szulklaper, 11 Jahre alt, geboren in Frankreich, deportiert mit dem Transport 71
  • Herman Tetelbaum, 10 Jahre alt, geboren in Belgien, deportiert mit dem Transport 71
  • Max Tetelbaum, 12 Jahre alt, geboren in Belgien, deportiert mit dem Transport 71
  • Charles Weltner, 9 Jahre alt, geboren in Frankreich, deportiert mit dem Transport 75
  • Otto Wertheimer, 12 Jahre alt, geboren in Deutschland, deportiert mit dem Transport 71
  • Emile Zuckerberg, 5 Jahre alt, geboren in Belgien, deportiert mit dem Transport 71
  • Lucie Feiger, 49 Jahre alt, geboren in Frankreich, deportiert mit dem Transport 72
  • Mina Friedler, 32 Jahre alt, geboren in Polen, deportiert mit dem Transport 76
  • Sarah Levan-Reifman, 36 Jahre alt, geboren in Rumänien, deportiert mit dem Transport 71
  • Eva Reifman, 61 Jahre alt, geboren in Rumänien, deportiert mit dem Transport 71
  • Moses Reifman, 62 Jahre alt, geboren in Rumänien, deportiert mit dem Transport 71
  • Miron Zlatin, 39 Jahre alt, geboren in Russland, deportiert mit dem Transport 73 und
  • Lea (Laja) Feldblum, 25 Jahre alt, geboren in Polen, deportiert mit dem Transport 71, einzige Überlebende

 

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Geschichte: warum gab es Jüdische Kinder in Izieu?